30/09/2015

Inwieweit eignen sich organische bzw. anorganische Baustoffe für einschichtiges Bauen und inwiefern entsprechen sie den zeitgenössischen Anforderungen im baurechtlichen Bereich?

Dieser Artikel erscheint im Rahmen des GAT-Schwerpunkts Monolithisch Bauen

30/09/2015

Kappelle mit Lehmwänden von Marte.Marte in Batschuns

©: Tim Lüking

Innenecke einer Leichtbetonwand: links eine geneigte Fläche mit mehr Lufteinschlüssen

©: Tim Lüking

Massive Glasbausteine beim Mahnmal Puerta de Atocha von Estudio Fam in Madrid

©: Wikimedia Commons

Massivholzsystem Thoma Holz 100: profilierte Brettschichten mittels Holzdübel verbunden

©: Tim Lüking

Moderner Strickbau von Gion Caminada zwischen alten Holzhäusern in Vrin

©: Tim Lüking

Wiederverwertung eines Kunststoff-Moduls (System fg2000) aus den 1970er Jahren

©: Pamela Voigt, BAKU

In der Vergangenheit wurden immer wieder Bauten mit einschichtigen Wänden realisiert. Heute geschieht dies nur noch selten, da es ansonsten schnell zu Konflikten mit den zeitgenössischen Anforderungen im baurechtlichen Bereich  kommt. Für konditionierte Gebäude wurden in den letzten Jahren die Anforderungen des Wärmeschutzes, Brandschutzes und ökologischer Themenstellungen kontinuierlich verschärft, was die Material-Auswahl bedeutend beeinträchtigt. Dieser Artikel bietet eine grobe Übersicht über die Möglichkeiten und Schwierigkeiten bei der Verwendung potentieller Baustoffe.

Von welchen Baustoffen reden wir? Einerseits haben wir die anorganischen, also Natursteine, Ziegelsteine, Beton, aber auch Lehm, Glas und Metall. Andererseits organische wie Holz und Kunststoff. Theoretisch ließe sich die Palette an organischen Baustoffen bedeutend ausweiten, rein praktisch sind die beiden genannten jedoch die einzigen, mit denen es Projekte gibt, die mehr als eine experimentelle Grundlagenstudie darstellen.

Die Anorganischen: Lehm & Co.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund zuerst die anorganischen Baustoffe an. Machen wir uns am Anfang kurz die wesentlich Gemeinsamkeiten bewusst: als erstes fällt sicherlich dazu ein, dass sie als nicht brennbar gelten. Manche verlieren jedoch bei den Temperaturen eines Zimmerbrandes an Stabilität. Darauf ist natürlich bei der Ausbildung des Tragwerks zu achten. Die ökologische Perspektive lässt sich nicht so leicht generalisieren. Fast ausnahmslos gehen allerdings größere, dauerhafte Eingriffe in die Natur damit einher, die sich teilweise nur sehr langfristig kaschieren lassen. Denken wir dabei zum Beispiel an Steinbrüche zum Abbau von Naturstein oder an einen offenen Abbau von metallhaltigen Gesteinsschichten. Gerade letzterer wird manchen Ortes noch sehr zu Lasten der Natur und auch der dort arbeitenden Menschen praktiziert. Sicherlich erinnern sich noch viele an den Dammbruch der Rotschlammdeponie und der daraus resultierenden Umweltverschmutzung in Ungarn im Jahr 2010. Nach der Gewinnung des Baustoffs ist jedoch bei entsprechender Verarbeitung eine wesentliche Verbesserung der ökologischen Bilanz möglich, da diese Baustoffe in der Regel mit einer hohen Dauerhaftigkeit und theoretisch einer guten Wiederverwendbarkeit punkten.

Für den Einsatz im Bereich der Gebäudehülle vereint (fast) alle anorganische Baustoffe ein weiterer Nachteil: in ihrer „gängigen“, unmodifizierten Form haben sie eine verhältnismäßig hohe Wärmeleitfähigkeit. Am besten schneidet Lehm ab, aber selbst mit dem bräuchte man in reiner Form verwendet fast 130 cm starke Wände, um den in Österreich erforderlichen minimalen U-Wert zu erhalten. Die Schlupflöcher, auch ohne solch einen Aufwand die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, werden immer kleiner und so müssen Baustoffe modifiziert werden, um die erforderlichen Vorgaben zu erfüllen. Um die Wärmeleitfähigkeit zu reduzieren, werden die massiven Baustoffe poröser gemacht. Am bekanntesten ist natürlich der Ziegel, der sich vom Vollziegel zum Hochlochziegel gewandelt hat, wobei nicht nur die Struktur, sondern auch das Material selber poröser geworden ist. Theoretisch lässt sich daraus eine einschichtige Wand mit Sichtziegeln errichten, für die bauliche Praxis wird das allein schon durch die veränderte Fugenausbildung ein Problem. Aber auch ein verputztes Mauerwerk ließe sich dank der ausschließlich mineralischen Baustoffe noch wohlwollend als einschichtig interpretieren.

Leichtbeton

Wirklich einschichtig können selbst unter heutigen Anforderungen Wände aus Leichtbeton sein. Deren Wärmeleitfähigkeit wird durch poröse Zuschlagstoffe wie Blähton und leichte Sande sowie Luftporenbildner derart reduziert, dass sich mit Wandstärken ab 45 cm die minimalen Anforderungen an den Wärmeschutz erfüllen lassen. Damit einher geht eine Reduktion der Tragfähigkeit, mehrgeschossige Bauweisen unter Einbindung der Außenwände sind trotzdem möglich. Im Inneren der Gebäude wird bei solchen Bauaufgaben übrigens trotzdem weiterhin Normalbeton eingesetzt.

Glas

Mit Glas lässt sich natürlich auch einschichtig bauen. Eine Lösung mit massiven Glasbausteinen, wie zum Beispiel das Mahnmal am Madrider Atocha-Bahnhof, wird den aktuellen rechtlichen Anforderungen in Österreich aufgrund der hohen Wärmeleitfähigkeit des massiven Materials nicht gerecht. Ein Bauen mit Schaumglas hingegen ist auf jeden Fall möglich, wenn auf einen Witterungsschutz geachtet wird. Realisiert wurde so etwas bislang allerdings noch nicht. Bei einer Isolierverglasung muss die Definition von Einschichtigkeit hinterfragt werden; mehrschalig wäre die Konstruktion auf jeden Fall. Dadurch erreicht sie ihre guten wärmedämmenden Eigenschaften. Die Schalen sind noch kein Widerspruch zur Einschichtigkeit. Wie eng sieht man allerdings die Ergänzung? Ist eine Bedampfung oder eine Folie bereits eine weitere Schicht? Streng akademisch gedeutet wäre das natürlich so. Statische Lasten aufnehmen kann das Glas nur begrenzt, wobei die Grenzen in der jüngeren Vergangenheit stark ausgeweitet wurden; ein beeindruckendes Beispiel dafür ist der Apple Store an der 5th Avenue in Manhattan.

Metall

Einschichtige Wände aus Metall, die die heutigen Wärmeschutzanforderungen erfüllen, gibt es bislang nicht. Dabei sind Dauerhaftigkeit und Recyclingfähigkeit grundsätzlich erst einmal sehr gut. Die Wärmeleitfähigkeit des Materials ist allerdings hoch. Als Sandwich-Element im Industriebau funktioniert es problemlos, aber da ist dann ja ein anderes Material dazwischen. Theoretisch wäre ein Vakuum-Panel denkbar, bei dem das Metall entsprechend geformt ist, um den Unterdruck aufrechterhalten als auch diesem standhalten zu können. Technisch ist dieses Unterfangen nicht ganz einfach, aber es ist machbar. Zusätzlich problematisch sind allerdings die Ränder, die aufgrund des gut wärmeleitenden Materials leicht zu einer Wärmebrücke werden. In anderen Industriebereichen wird verstärkt Metallschaum eingesetzt. Aber auch in dieser Form wird Temperatur sehr gut weitergeleitet, eine Wärme dämmende Wirkung hat dieser Schaum kaum. 

Holz

Wechseln wir also zu den organischen Baustoffen. Holz weist im Verhältnis sehr gute Eigenschaften hinsichtlich Tragfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit auf. Blockhütten, bei denen Baumstämme einlagig die Außenhaut bilden, sind bekannt. 35 cm pures Holz erfüllen die notwendige Mindestanforderung an den Wärmeschutz. Diese Schichtdicke, aber auch die Eigenschaften des Quellens und Schwindens machen es sinnvoll, das Holz erst einmal in kleinere Abschnitte zu zerteilen und dann wieder zu einem Bauteil aus mehreren Lagen zusammenzufügen. Diese werden entweder mit Leim oder sogar nur rein mechanisch gehalten. Problematisch wird bei diesen Konstruktionen einerseits die dauerhafte Gewährleistung der Luftdichtheit, die heute ebenfalls ein Kriterium darstellt und andererseits die äußere Bewitterung. Eine Opferschicht, also eine Lage Holz, die periodisch ausgetauscht werden kann, ermöglicht eine lange Nutzung der wesentlichen Tragschicht. Darüber hinaus ist ein großer Wert auf die Abdichtung der Fugen zu legen. Bei rein mechanischen Systemen kann aus diesem Grund das flächige Einbringen eines Vlieses notwendig sein. Damit wären wir wieder bei der akademischen Fragestellung der Einschichtigkeit.

Kunststoff

Kommen wir zum letzten Baustoff, der in diesem Rahmen gestreift werden soll: den Kunststoff. Diesen global zu betrachten, ist ähnlich schwierig wie bei einem Naturstein, denn die Anzahl der unterschiedlichen Materialien und damit auch Eigenschaften ist sehr hoch. Kunststoff hat einen verhältnismäßig schlechten Ruf, doch aus dem heutigen alltäglichen Bauprozess ist er kaum wegzudenken. Aus ökologischer Sicht ist es zweischneidig: die Kunststoff-Produktion ist häufig umweltschädigend, andererseits ist Kunststoff sehr langlebig und lässt sich in der Regel auch gut recyceln. Allerdings muss er dazu sortenrein vorliegen. Die Möglichkeiten der Kunststoffverarbeitung sind vielfältig: Schäumen, Spritzguss, Extrusion. Damit ergeben sich theoretisch interessante Perspektiven, zumal das Material auch wasserundurchlässig sein und somit die komplette Hülle um das Gebäude herum führen kann. Transparente Flächen sind natürlich auch kein Problem. Von der Wärmeleitfähigkeit weisen Kunststoffe schon in massiver Form einen verhältnismäßig niedrigen Wert auf, der durchs Schäumen etc. noch weiter absinkt. Die gebräuchlichsten Kunststoffe basieren allerdings auf dem Rohstoff Öl. Ein größerer Einsatz als einschichtige Außenwand – Witterungsschutz, dämmend, tragend – ist deswegen derzeit damit nicht vorstellbar. Das mag sich ändern, wenn die Verfügbarkeit natürlicher Kunststoffe bedeutend höher ist.

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen: geht es um die Einschichtigkeit, so muss von dem ausgewählten Material bedeutend mehr Masse eingesetzt werden, um alle zeitgenössischen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, als wenn spezialisierte Materialien die Aufgaben erfüllen. Würde ein einzelner Baustoff für eine Klimazone zum einschichtigen Trend, käme es vermutlich aufgrund der großen benötigten Masse basierend auf den heutigen Vorgaben bald zu einer Ressourcenknappheit. So bleibt das einschichtige Bauen auf absehbare Zeit ein Konzept für Gebäude, bei denen über den Einsatz des ausgewählten Materials etwas Besonderes ausgedrückt werden soll.

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