01/02/2017

Baukulturvermittlung in Österreich

Fünf Interviews von Martin Brischnik, Architekt in Graz, zur Baukulturvermittlung in Österreich.

Die Aufzeichnungen sind im Zeitraum August bis Dezember 2016 mit VertreterInnen österreichischer Architekturhäuser entstanden.

Interview mit Markus Bogensberger vom Haus der Architektur in Graz

Zum Abschluss der Serie folgt am kommenden Mittwoch das Interview mit dem 
Az W - Architekturzentrum Wien

01/02/2017

Hausnummer 180, eine künstlerisch architektonische Installation im öffentlichen Raum von Studierenden der TU Graz, Architekturtage 2012

©: Alexander Krischner

Interview mit Markus Bogensberger, Haus der Architektur, Graz

Martin Brischnik: Warum ist es nötig Baukultur zu vermitteln?

Markus Bogensberger: Architektur, und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Themen der Freiraumplanung sowie des Städtebaus und der Raumplanung, betreffen uns alle und sind ein Ausdruck unseres kulturellen Selbstverständnisses. Die Art, wie wir Bauwerke und Räume planen, bauen oder sanieren, stellt daher unsere gesellschaftliche Antwort auf die Ansprüche an eine qualitätsvoll gestaltete Umwelt dar. Die Wohn- und Lebensqualität unserer Städte, Dörfer und Landschaft, der Klimaschutz, die Qualität von Bildung, Arbeit, die wirtschaftliche Entwicklung und die Zukunft unseres Gemeinwesens sind unmittelbar von Entscheidungen in diesem Handlungsfeld abhängig. Auch die gesellschaftliche In- oder Exklusion von Bevölkerungsgruppen drückt sich ganz wesentlich durch bauliche Maßnahmen oder das Ausbleiben ebendieser aus.
Die Behandlung dieses vielschichtigen Themenkomplexes findet zwar permanent durch zahlreiche Akteure auf verschiedensten Ebenen statt, wird jedoch kaum als zusammenhängende Materie kommuniziert. Die Vermittlung von Baukultur stellt somit das Bestreben dar, diese Zusammenhänge Entscheidungsträgern und der Bevölkerung in nachvollziehbarer Form zu kommunizieren.
 
Martin Brischnik: Wie steht die Steiermark im österreichweiten Kontext hinsichtlich der Baukultur da?

Markus Bogensberger: Graz und die Steiermark können auf ein reiches baukulturelles Erbe und einen internationalen Ruf als Architekturstadt und -land verweisen – vom UNESCO-Weltkulturerbe über die Grazer Schule der Architektur bis zu den zeitgenössischen Bauten in der Region. Vor allem die lebendige Architekturszene, eine Anzahl von Institutionen wie Forum Stadtpark, Haus der Architektur und ZV sowie die Studierenden und Lehrenden der Architekturfakultät der TU Graz prägen das kulturelle Leben in der Steiermark seit Jahrzehnten ganz wesentlich mit. In der Stadt Graz und dem Land Steiermark gab und gibt es dementsprechend zahlreiche baukulturelle Initiativen, welche auch auf wichtige Erfolge verweisen können. Die Steiermark hat in dieser Hinsicht auch regelmäßig als Vorreiter in Österreich fungiert. Allerdings lässt sich in den vergangenen Jahren feststellen, dass vor allem politische EntscheidungsträgerInnen das positive Potenzial baukultureller Maßnahmen nicht im vollen Umfang erkennen. Den Stellenwert der Baukultur wieder verstärkt auf die Tagesordnung zu bringen ist daher ein vordringliches Ziel.
 
Martin Brischnik: Welche Rahmenbedingungen müssten sich ändern, um in den Bereichen Raumplanung, Städtebau, und Architektur merkbare Verbesserungen zu erzielen?
 
Markus Bogensberger: Die To-do-Liste für produktive baukulturelle Rahmenbedingungen ist aufgrund der komplexen Materie sehr lang. Im Österreichischen Baukulturreport 2011 wurden etwa 45 Empfehlungen formuliert. 2014 wurden in der Landtagsenquete Baukultur in der Steiermark unter den Slogans Zentren stärken, Räume gestalten sowie Kreativität und Nachhaltigkeit einfordern drei Handlungsfelder umrissen. Ein wesentlicher Punkt in der Steiermark sind sicher die Versäumnisse der Raumplanung in den vergangenen Jahrzehnten, die zu einem bedrohlichen Ausmaß an Zersiedelung mit den entsprechenden negativen Effekten geführt haben. Hier herrscht sicher akuter Handlungsbedarf.

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