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FAZIT
ArchitektInnen und das Land, eine Kapitulation? Diese provokative Fragestellung ist Titel dieser Masterarbeit. Wie in der Studie zu erkennen ist, gibt es in vielerlei Hinsicht eine gegensätzliche Beziehung zwischen den ArchitektInnen und dem ländlichen Raum. Wir erkennen die Problematik im ersten Kapitel, wenn wir die Beobachtungen zur Architekturausbildung im historischen Verlauf betrachten. Das Profil der Hochschule orientierte und orientiert sich noch immer sehr stark an klassischen Aufgabenstellungen für die man Lösungen durch die einzelne Architektur präsentiert. Von den InterviewpartnerInnen, Albert Kirchengast und Roland Gnaiger, wird dieses Verständnis kritisiert, da es keine übergreifende Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen gibt. Es ergibt sich daher ein Paradoxon. Einerseits beklagt man die gegenwärtigen Entwicklungen als eine Zerstörung, Gestaltlosigkeit und Unkultur. Andererseits distanziert man sich von den wesentlichen Fragestellungen. Dass dies der falsche Weg ist, sehen wir an den aktuellen Tendenzen, in der die Architektur für die Gesellschaft immer unrelevanter wird. Diese Ausklammerung ist aber fatal, wenn es darum geht, sich zu fragen, wie Architektur „alltagstauglich“ sein bzw. wie eine Alltagsarchitektur für Menschen aussehen könnte, die nicht zur Zielgruppe des klassischen Tätigkeitsfeldes gehören, das vorrangig prestigeträchtige Bauten für eine besondere Schicht beinhaltet hat. In der Steiermark äußerte sich die Bewegung der Grazer Schule in einem klassischen Architekturverständnis, in dem die ArchitektInnen als KünstlerInnen auftreten und den Gestaltungsanspruch vor alle anderen Faktoren setzen. Wenn man dieses klassische Bild verfolgt und die persönliche Ausrichtung der Tätigkeit wirklich auf dieses Verständnis auslegt, dann wäre diese Haltung durchaus legitim. Ob sie gut oder schlecht ist, sei dahingestellt. Wenn wir aber im Gestaltungspotenzial des ländlichen Raumes ein Tätigkeitsfeld erkennen wollen, was von den Aussagen der InterviewpartnerInnen deutlich bestätigt wird, müssen wir das klassische Bild des ArchitektInnenberufes hinterfragen. Die Frage lautet nun, inwieweit dieser künstlerische Anspruch an sogenannte Alltagsbauten wie Wohnungsbau, Einfamilienhäuser, landwirtschaftliche Bauten, Gewerbebauten und so weiter anwendbar ist und wie das Klischeebild, das den Befragten deutlich bewusst ist, aufgebrochen werden kann.
Interessant ist dabei, dass eine Neuorientierung des Berufes schon von vielen InterviewpartnerInnen gefordert wird. Albert Kirchengast und Roland Gnaiger betonen daher zurecht, dass Baukultur nicht nur eine Architektur von ArchitektInnen beinhaltet. Sie manifestiert sich durch das Maß der Beteiligten und Einflüsse und zeigt sich schlussendlich in einem gelungenen Zusammenspiel.
Die Gestaltung darf deshalb in Zukunft nicht der Rationalisierung und Ökonomisierung überlassen werden, denn der ländliche Raum ist und wird immer gestaltet, die Frage ist nur in welcher Hinsicht. Genau dies sollte die ArchitektInnen auffordern einen eigenen Kompetenzbereich zu schaffen, indem neuer verantwortungsvoller Ansätze, abseits der klassischen Architekturhaltung entwickelt werden können und in diesem Sinne auch für städtische Gebiete Potenziale bietet. So hat Koolhaas richtig behauptet: „You cannot understand the city without understanding the countryside.“
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Infobox
ArchitektInnen und das Land - eine Kapitulation?
Masterarbeit von Theresa Reisenhofer, TU Graz,
Oktober 2017
Die provokative Fragestellung im Titel zeigt auf, dass es in vielerlei Hinsicht eine gegensätzliche Beziehung zwischen ArchitektInnen und dem ländlichen Raum gibt.
In Interviews mit Architektur- schaffenden und Studierenden erkundet Reisenhofer, was diese über das Land denken und welche Herausforderungen es aus deren Sicht gibt.
Die Arbeit wurde von Univ.-Prof. Mag.phil. Dr.phil, Anselm Wagner, Vorstand des Instituts für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften an der Technischen Universität Graz zur Erlangung des akademischen Grades Diplom-Ingenieurin im Masterstudium Architektur erstellt.
Interessierte können in der Universitätsbibiothek der TU Graz in die 230 Seiten umfassende Arbeit Einsicht nehmen.
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