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EMPIRISCHER TEIL
KAPITEL 1 - Räume der Erinnerung
41 Studierende und ArchitektInnen bilden die Hauptprotagonisten für diese Arbeit. Alle InterviewpartnerInnen haben auf der TU Graz studiert, beziehungsweise studieren dort gegenwärtig. Es sollten möglichst gleich viele ArchitektInnen aus Graz, wie auch aus den ländlichen Gebieten der Steiermark befragt werden. Es wurden 21 männliche Architekten und leider nur 4 weibliche Architektinnen befragt. Ich weiß, dieses Unverhältnis ist leider sehr bedauerlich. Es ging aber darum einen Querschnitt zu ermitteln und da ist diese Zahl leider Realität. Weiters wurden insgesamt 16 Studierende interviewt, davon war die Hälfte, also 8, männlich und 8 waren weiblich. Um auch einen historischen Verlauf darstellen zu können wurden auf eine gleichmäßige Verteilung der Generationen geachtet. Der älteste Architekt wurde 1940 geboren, die jüngste Studierende 1993. Ca. 91% der Befragten haben ihre Herkunft in ländlich geprägten Gebieten und sind für das Studium nach Graz gezogen. Roland Gnaiger beklagt im Essay Die Region ist ein Fluss oder Jo Coenen in der Steiermark die systematische Entfremdung von den Herkunftsorten durch die Architekturausbildung. Die Studierenden seien für die Problematik am Land nicht gerüstet. Albert Kirchengast formuliert im Interview den Prozess der Entfremdung als eine notwendige Entwicklung. Problematisch wird es aber, wenn in dieser Entwicklung ein geschichtsloses Architekturverständnis propagiert wird und das Anknüpfen an die eigene Geschichte schwierig macht. Im ersten Kapitel des empirischen Teils werden wir den Fragen nach dem Studium nachgehen und die Annahme Roland Gnaigers und Albert Kirchengast untersuchen.
Den InterviewpartnerInnen wurden Fragen zur Fokussierung des Lehrinhaltes in ihrer Studienzeit gestellt, welche Auseinandersetzung es in Ihrer Zeit mit dem ländlichen Kontext gab und welche Institute oder Lehrenden sich damit beschäftigten. Die letzte Frage dieses Abschnittes behandelt Empfehlungen, Kritiken oder Vorschläge, die die Befragten in Bezug auf die Ausbildung und die Auseinandersetzung mit ländliche Gebiete gibt aussagten.
Bei den ArchitektInnen galt das Institut für ländliches Siedlungswesen von Franz Riepl als DAS Institut, das sich mit ländlichen Fragestellungen auseinandersetzte. Die Studierenden gaben an, dass sich heute das Institut für Gebäudelehre und explizit Ulrike Tischler und das Institut für Wohnbau mit dem Land auseinandersetze. Das nachfolgende Institut von Riepl, Architektur und Landschaft von Klaus Loenhart geleitet, wird nicht mehr dem ländlichen Bauen zugeordnet. Die Programmatik dieses Instituts hat sich im Vergleich von Riepls Lehrstuhl deutlich verändert, denn es geht heute viel mehr darum internationale Fragestellungen durch Konzepte zu verfolgen. Die Wandlung ist aber nicht dem Institut oder dem Institutsleiter selbst anzukreiden. Die Hochschule hat sich bewusst für die Berufung eines Professors entschieden, der in einer gewissen Position in der Landschaftsarchitektur steht und die ist international und von einem gewissen Zuschnitt inspiriert, wie auch Albert Kirchengast im Interview erwähnt. Dennoch ist es aber interessant, dass von vielen ArchitektInnen das Fehlen des Institutes für ländliches Siedlungswesen angesprochen und als Problem formuliert wird. Auf die letzte Frage wurden von den Befragten Kritiken und Lösungsvorschlägen zum Thema Ausbildung und dem ländlichen Raum präsentiert. Der Kern der Aussagen bezieht sich dabei auf Bereiche der Raumplanung, der Stadt- und Landentwicklung, der Auseinandersetzung mit dem Kontext und der Soziologie. Zum einen wird hier von einer zwingenden Verbindung von Raumplanung und Architektur gesprochen, des Weiteren gibt es die Aussage, dass die Entwicklung von städtischen und ländlichen Räumen vor dem tatsächlichen Architekturprojekt stattfinden muss. Zum anderen gibt es die Kritik, dass die Architekturausbildung noch sehr stark objektbezogen arbeitet und somit das Bewusstsein auf eine größere Betrachtung ausschließt. Die Studierenden kenne zwar die Problematiken im ländlichen Raum, aber die näheren Zusammenhänge werden nicht direkt angesprochen, was auch Albert Kirchengast kritisiert. „Es bleibt kontextlos stehen“, heißt es in dieser Aussage einer Studentin. Es wird daher eine größere Auseinandersetzung empfohlen, um direkte strukturelle Probleme anzusprechen und bearbeiten zu können. Das nächste Kapitel widmet sich dem direkten Schauplatz, den ländlichen Kontext und der Position der Architekten und Architektinnen darin.
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Infobox
ArchitektInnen und das Land - eine Kapitulation?
Masterarbeit von Theresa Reisenhofer, TU Graz,
Oktober 2017
Die provokative Fragestellung im Titel zeigt auf, dass es in vielerlei Hinsicht eine gegensätzliche Beziehung zwischen ArchitektInnen und dem ländlichen Raum gibt.
In Interviews mit Architektur- schaffenden und Studierenden erkundet Reisenhofer, was diese über das Land denken und welche Herausforderungen es aus deren Sicht gibt.
Die Arbeit wurde von Univ.-Prof. Mag.phil. Dr.phil, Anselm Wagner, Vorstand des Instituts für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften an der Technischen Universität Graz zur Erlangung des akademischen Grades Diplom-Ingenieurin im Masterstudium Architektur erstellt.
Interessierte können in der Universitätsbibiothek der TU Graz in die 230 Seiten umfassende Arbeit Einsicht nehmen.
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