29/10/2012

Ursprünglich ist die Firma Immovate mit Firmensitz in Graz als Investor in der Öffentlichkeit aufgetreten. Gekauft wurde das Gebäude allerdings bereits am 22.07.2010 (Kaufvertrag) von der Alpha Tower GmbH & Co KG Wien, bestehend aus einem Firmenkonstrukt rund um die HPM Privatstiftung, die 6B47 Management GmbH und die 6B47 Real Estate Investors GmbH Wien, die zuletzt als neuer Inhaber aufgetreten ist.

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29/10/2012

Studentenwohnheim am Hafnerriegel, Graz (1960-63)

©: WERKGRUPPE GRAZ

Studentenwohnheim am Hafnerriegel, Graz (1960-63)

©: WERKGRUPPE GRAZ

Studentenwohnheim am Hafnerriegel, Graz, Ansicht vom Süden, Blickrichtung Altstadt mit Schlossberg, 2012

©: Jördis Tornquist

Für das Studentenwohnheim am Hafnerriegel in Graz (WERKGRUPPE GRAZ) wurde nach rund zwei Jahren das Unterschutzstellungsverfahren des Bundesdenkmalamtes durch dessen Rechtsabteilung eingestellt.

Der Eigentümer konnte mit zahlreichen technischen Gutachten die wirtschaftliche Unrentabilität der Sanierung der Fassade und der charakteristischen Freitreppe aus Sichtbeton glaubhaft nachweisen. Zur thermischen Sanierung müsste das Gebäude außen mit einer Eternitfassade neu verkleidet werden und die zu dünne Betonüberdeckung der Freitreppe entweder zusätzlich überdeckt oder der Beton mit Harzen geschützt werden, was aber einen zu hohen Wartungsaufwand bedeuten würde. Alle diese Maßnahmen würden das äußere Erscheinungsbild massiv verändern. Für das Bundesdenkmalamt (BDA) ist allerdings der Hafnerriegel nur als Gebäude mit der Freitreppe schützenswert. Neben soziogesellschaftlichen Aspekten sind die einzigartige Grundrisstypologie, die patentierte Betonplattenfassade und vor allem die markante, weithin sichtbare skulpturale Betonaußentreppe jene Bestandteile, die einen Denkmalschutz gerechtfertigt hätten. Dieser Treppe als Landmark galt die gesamte Aufmerksamkeit des Bundesdenkmalamtes. Daher war das BDA an sich kompromissbereit und hätte zugestimmt, die Betonplattenfassade gegen eine Eternitfassade zu tauschen und die Grundrisstypologie der Umnutzung zuzuführen, wenn die Treppe dabei erhalten bliebe. Mündlich wurde mit dem Investor vereinbart, ein bis zwei Geschoße zur Dokumentation und als Museum im Original zu erhalten. Ob diese Vereinbarung nun noch gilt, ist fraglich.

Die Sanierung selbst in die Hand zu nehmen – dazu fehlen dem BDA schlichtweg die Mittel. Ein Forschungsprojekt zur Betonsanierung zu initiieren, scheitert an fehlenden Personalressourcen. Für entsprechende Gegengutachten infolge der Verfahrensbeeinspruchung durch den Investor kann das BDA schlussendlich nur auf die selben renommierten Gutachter zurückgreifen. Dazu kommt die Problematik, dass die Architekten oftmals selbst in Distanz zu ihren eigenen Gebäuden und einem möglichen Denkmalschutz gehen und auf ihr Urheberrecht verzichten.

Das Signal, das die Bundesbehörde nun mit der Einstellung des Verfahrens an potenzielle Investoren und Eigentümer von Gebäuden der ersten drei Nachkriegsjahrzehnte setzt, ist verheerend. Die bedeutenden Bauwerke dieser Zeit könnten durch Umnutzungen, Brandschutzmaßnahmen, Dämmmaßnahmen und die Maximierung des Flächenbedarfs bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet werden, wie dies bereits beim Forschungszentrum der Montanuni Leoben (Domenig / Huth) geschehen ist

Die schwerwiegende Tatsache in dieser Causa ist aber, dass bereits aus dem Jahr 2004 eine rechtsgültige Baubewilligung für die Sanierung des Studentenwohnheims vorliegt. Diese beinhaltet die Eternitfassade und einen Abbruchbescheid für die Außentreppe des Hafnerriegels durch die Studentenförderungsstiftung und den damaligen Planer, Arch. Martin Kiesel. Ein rechtsgültiger Abbruchbescheid verfällt nicht und könnte nur durch das BDA bzw. durch eine Sanierung der Treppe rechtlich ausgehebelt werden.

Der neue Investor, der die Sanierung und Erweiterung zu einem Wohnturm nach Plänen von ArchitekturConsult (Hermann Eisenköck und Herfried Peyker) nun starten will, konsumiert geschickt den damaligen Bau- und Abbruchbescheid, indem er die geplante Sanierung als Nutzungs- bzw. Planänderung einreichte. Dadurch wurde der Fachbeirat übergangen und nicht in den Planungsprozess involviert. Nur Bürgermeister Siegfried Nagl könnte jetzt noch aufgrund der „Hotspot“-Lage des Hafnerriegels das Bauvorhaben dem Fachbeirat zuweisen, wie dies zuletzt im Fall des Cafè Rosenhain geschehen ist.

Aus diesem Faktum heraus ergeben sich folgende Fragen: Stand das Gebäude damals nicht als Eigentum der Österreichischen Studentenförderungsstiftung als Körperschaft öffentlichen Rechts unter Denkmalschutz (§2)? War diese Tatsache dem zuständigen Stadtrat und Bürgermeister Siegfried Nagl beim Verkauf des Hafnerriegels 2010 bewusst, als durch den Gemeinderat die ursprünglichen Architekten des Hafnerriegels eingebunden wurden? Warum lässt Nagl eine derartige Planänderung zu?

Für Investoren zählt jedenfalls die Gewinnmaximierung. Hinsichtlich der Gesamtkosten und des zu erwartenden Gewinns ist es für diese allemal günstiger, Gebäude verfallen zu lassen, unzählige Gutachten einzuholen, zahlreiche Verhandlungsgespräche zu führen, lange Verfahrenszeiten in Kauf zu nehmen und Abbruchkosten zu tragen, als sich mit deren behutsamen Sanierung aufzuhalten. Sie agieren aus rein wirtschaftlichem Interesse.
Allerdings liegt es in der politischen Verantwortlichkeit – in diesem Fall vor allem beim Bund und der Stadt Graz – sich im Sinne des öffentlichen Interesses für den Erhalt der Architekturikonen der Nachkriegszeit einzusetzen und entsprechende Maßnahmen zur Revitalisierung, u. a. durch entsprechende Fördermittel, zu setzen. Im Falle des Hafnerriegels – das Grundstück war im Besitz der Stadt Graz – hätten die Verantwortlichen niemals dem Verkauf an einen Investor zustimmen dürfen.

Positive Beispiele von Revitalisierungen gibt es in Graz bereits: Die pädagogische Akademie in Graz-Eggenberg wurde vom Architekturbüro Goltnik in Zusammenarbeit mit dem BDA modernisiert, ohne die architektonische Gestalt des Gebäudes von Domenig / Huth anzutasten. Auch die Terrassenhaussiedlung in Graz-St. Peter (WERKGRUPPE GRAZ) wird seit ein paar Jahren behutsam saniert.

Den Entscheidungsträgern sollte längst klar sein, dass die architektonische Bedeutung einer Immobilie zur Wertsteigerung beiträgt, wie dies in der Wiener Innenstadt der Fall ist. Die Stadt Graz profitiert mit ihrer unvergleichlichen Altstadt, der modernen, qualitätvollen Architektur und dem internationalen Ruf der Grazer Schule tagtäglich vom Kultur- und Städtetourismus.

gerald hirsch

noch ist nichts verloren
das grazer altstadterhaltungsgesetz ermächtigt die landesregierung lt. §2 abs.3 GAEG 2008 in bezugnahme auf §2 abs. 1 nach anhörung der stadt und einholung eines gutachtens der asvk korrekturen an bestehenden schutzzonen dahingehend vorzunehmen, dass nach möglichkeit beide seiten von straßen- und gassenverläufen und ganze bauwerke einzubeziehen sind ....
im kreuzungsbereich der kastellfeldgasse reicht die schutzzone III bis an den straßenverlauf des hafnerriegel. eine erweiterung der schutzzone III wäre in diesem bereich auf den umfang des schützenswerten gebäudes bei interesse des landes möglicherweise denkbar.
lets see

Di. 30/10/2012 2:39 Permalink
Eugen Gross

Nach der Einigung mit dem Bauträger und den Architekten des Umbaues des Hafnerriegel über eine teilweise Übertragung der Außentreppe in das Parkgelände der Kulturpension Feuerlöscher in Prenning sehen wir unser Urheberrecht gewahrt. Es wurde uns im Sinne einer Werknutzungsbewilligung für die Nutzung unserer orgiginalen Planunterlagen und Beratungstätigkeit zu Umbauabsichten - auf Empfehlungsbasis - teilweise abgelöst. Mit der Bereitschaft einer Zwischenlagerung des Treppenfragments bis zur technischen und baubehördlichen Klärung der Übertragung ist uns der Bautäger weiter entgegengekommen. Damit ist unserer Auffassung nach das Optimum in dem konkreten Problemfall gelöst worden, nachdem schon im Jahre 2006 die baubehördlichen Entscheidungen für den Umbau gefallen sind (damals bedauerlichewrweise ohne unsere Einbeziehung in den Planungs- und Entscheidungsprozess, gleichfalls ohne fachliche Stellungnahme des Bundesdenkmalamtes).
Die Aufstellung des Treppenfragmentes im "Becken der Erinnerung" in Prenning knüpft an die Rolle des legendären "Prenninger Kreises" an, dem in der Zeit des repressiven Ständestaates und des Nationalsozialismus eine Reihe bedeutender Künstler und Interlektueller wie Herbert Eichholzer und Anna Lülja Praun angehörten. Sie hatten im Haus Feuerlöscher eine Widerstandsgruppe gebildet und mußten dafür Verfolgung und teilweise den Tod, wie bei Eichholzer, auf sich nehmen. Mit Ausstellungen und Publikationen wahrt der Kulturverein "prenninger gespräche" heute die Erinnerung an das für Österreich bedeutsame gesellschaftspolitische Engagement.
Im Lichte dieser historischen Bewußtseinsbildung sehen wir auch die Aufstellung der Treppe in Prenning nicht als eine Notlösung, sondern als signifikanten Akt der Identitätsbindung mit einem historischen Ort. Darüber hinaus kann möglicherweise das Urheberrecht für Architekten neu interpretiert werden, da das Fragment uneingeschränkt dem Urheberrecht unterliegt, die die funktionell einst gebundene Treppe nur eingeschränkt. Welche Auswirkungen ein "Fragmentarismus" auf die zukünftige Architekturentwicklung haben kann bleibt dahingebend offen, als Architekten hinsichtlich des Urheberrechtes an baukünstlerischen Werken den anderen Künstlern gleichgestellt werden könnten.

Sa. 21/09/2013 8:56 Permalink
Eugen Gross

Der fach- und sachkundige Artikel von Petra Kickenweiz zum heutigen Stand der Hafnerriegel-Planung veranlasst mich nur zu einer
Klarstellung: Das Urheberrecht ist lt. Gesetz für einen Autor/Maler/Architekten unverzichtbar. Bei der Architektur liegt der Sachverhalt so, dass Nutzungsänderungen oder technische Gründe einen Spielraum darstellen, unter dem das Urheberrecht im Hinblick auf die wünschenswerte Erhaltung eines Gebäudes gelockert werden können. Die Alternative wäre der Gesamtabbruch, gegen den ein Architekt vom rechtlichen Standpunkt nichts einwenden kann.
Im Falle des Hafnerriegels haben wir als Architekten, die Werkgruppe Graz, nie auf das Urheberrecht verzichtet. Jedoch haben wir dem Investor eines Umbaues, vertreten durch dessen Architekten, das Werknutzungsrecht in der Weise erteilt, als wir ihm die Pläne zur Verfügung gestellt haben. In einigen Gesprächen, ohne als Vertragspartner eingebunden worden zu sein, haben wir zum Ausdruck gebracht, dass wir die Umwidmung in ein Familienwohnhaus akzeptieren, wenn den planerischen Anforderungen entsprochen wird. Die Vorentwurfsskizzen haben dem entsprochen, indem die besondere, aus der Achsialität des Grundrisses sich ergebende Problematik der gleichwertigen Besonnung durch Ecklösungen (Balkone, Loggien) gelöst wird. Dadurch würden Freibereiche geschaffen, die auch begrünt werden können (Vertikales Glashaus). Wenn die Außentreppe in diese Lösung nicht integriert werden kann, müsste aus Gleichwertigkeitsgründen auf diese verzichtet werden. Diese optimierte Wohnbereichslösung hätte ein neues Bauverfahren verlangt.
Nach diesem Zeitpunkt wurde uns mitgeteilt, dass den Vorschlägen nicht gefolgt werden kann, da bereits ein gültiger Baubescheid einschließlich einer Abbruchgenehmigung für die Treppe aus 2004 vorliegt und auf diesen zurückgegriffen werden soll (Planaustausch). Parallel dazu wurde zwar ein Denkmalschutzverfahren eingeleitet, aber ohne Klärung, was nun geschützt werden soll (Fassade, Treppe?). Mehrfache Urgenzen von unserer Seite, in Gespräche einbezogen zu werden, fruchteten nicht. So blieb, was ich ohnehin erwartete, dem Bundesdenkmalamt aus rechtlichen Gründen (Entscheid der Rechtsabteilung, nicht der Kunsthistoriker!) nichts anderes übrig, als das Verfahren einzustellen und dem Investor völlig zu überlassen, was er mit dem Haus machen will. Wenn er die Treppe oder gar ganze Haus abreißen will, können wir uns das Urheberrecht auf den Hut stecken.
Tatsächlich wäre nun die öffentliche Baubehörde herausgefordert, klarzustellen, was bei dem über den Anlassfall hinausgehenden Problem schief gelaufen ist oder geändert werden sollte, wenn solche Gemeideratsbeschlüsse wie jener vom 20.10.2010 über die vorgesehene Einbindung von Planern erfüllt werden und urheberrechtliche Empfehlungen in ein Verfahren integriert werden sollen. Noch sehe ich es für den Hafnerriegel nicht für zu spät, wenn sich die Projektverantwortlichen für alternative Lösungen des Problems zugänglich zeigen würden. Ein Interesse der Stadt Graz und der Denkmalschutzbehörde will ich voraussetzen.

Mo. 29/10/2012 10:18 Permalink
DK

Man kann wieder nur den Kopf schütteln, wenn man den Stellenwert von Architektur in Graz beobachtet. Leider ist der Hafnerriegel auch keine leichte Kost für die breite Öffentlichkeit. Umso schwieriger ist es, die nötige Sanierung ansprechend zu gestalten. Es wäre doch eine wunderschöne Aufgabe für die Technische Universität, sich an dieser Stelle einzuschalten? Das Thema ist aktuell und bereits 2010 wurde diese Fragestellung am Institut für Gebäudelehre behandelt. Im Grunde genommen hat der Hafnerriegel ja mehr Ausstrahlung auf Gesamt-Graz als die Altstadt. Der Turm wird von überall aus gesehen. Kann denn keine Lösung über das Mitwirken der Universität forciert werden, hier wäre ja auch schon wertvolle Vorarbeit geleistet? Und häufig reichen auch die kleinen Gesten...

Mo. 29/10/2012 10:05 Permalink
Eugen Gross

Antwort auf von DK

Den Ausführungen kann ich nur zustimmen. Ich habe bereits unter Beifügung eines Fotos von einer Ausstellung alternativer Sanierungsvorschläge für den Hafnerriegel durch das Instiut für Gebaudelehre der TU Graz darauf hingewiesen, dass man der Problematik zeitgenössischer Gebäude mit Sanierungsbedarf auch umfassender entsprechen kann. Das würde heißen, dass nicht nur die billigste und verfahrensrechtlich einfachste Lösung angestrebt, sondern die Aufgabe komplexer gesehen wird. Dann würden neben funktionellen, statischen und bauphysikalischen Aspekten auch jene zu beachten sein, die heute weltweit als "comprehensing social panning" angesehen werden. Ästhetische Ansprüche nehmen in einer neuen Formenspache Gestalt an, die auf sozial verträgliche Wohnathmosphäre, Nachhaltigkeit im ökologischen Sinn und Zeichenhaftigkeit eines neuen Architekturverständnisses Bezug gerichtet sind. Durch "Green architekture" sollen Bauten zur Gesamtverbesserung der Klimasituation beitagen. Was wäre geeigneter, als ein im dichten Stadtbereich liegendes Objekt wie den Hafnerriegel, der weiterhin Wohnstandort von ca. 300 Menschen sein soll, als Pilotprojekt dieser Art aufzufassen. Gerade die TU Graz mit ihren zahlreichen Fachleuten wäre sicher für einen Forschungsauftrag dieser Art sehr geeignet. Aufgrund einer solchen Vorgangsweise solte erreichbar sein, dass der Hafnerriegel ein "neues Gesicht" bekommt, aber der Erhalt des bauhistorischen Wertes eine denkmalgerechte Unterschutzstellung rechtfertigt.

Mo. 29/10/2012 4:01 Permalink
ben

Antwort auf von DK

Zum Kommentar von DK:
Die Universität ist den Verantwortlichen in dieser Angelegenheit als auch der Stadtregierung vollkommen wurscht. Nicht nur 2010 wurde an der Universität in Sachen Hafnerriegl gearbeitet, erst letztes Wintersemester wieder, glaube ich mich zu erinnern.
Tatsache ist, dass junge Architekturstudierende durchaus Lösungen anbieten, manche brachial, manche behutsam, manche rein gesellschaftlich. Diese werden jedoch einmal vor dem Professor präsentiert und dann im Kammerl oder zu Hause versteckt. Sie erreichen nie irgendeine Form von Aufmerksamkeit durch die öffentliche Hand bzw. die Öffentlichkeit. Die Universität kann nicht alles an Kommunikation übernehmen. Die Stadt muss endlich auf die Uni zugehen.
Dies gilt übrigens nicht nur für den Hafnerriegl.

Fr. 30/08/2013 1:11 Permalink
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