12/04/2019

100 Jahre Bauhaus –
14 Jahre praktizierte Moderne

Wenzel Mraček zeichnet den Weg des Bauhauses nach: von Weimar (1919-1925) über Dessau (1925-1932) nach Berlin, wo es 1933 aufgelöst wurde.

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12/04/2019

Haus Fieger in Dessau von Carl Fieger, 1927. Fieger war Entwurfszeichner im Büro Gropius in Dessau. Screenshot Red. GAT > s. Link bauhaus-dessau.de

Bauhausprogramm von Walter Gropius aus den Satzungen von 1922 (commons, Bearbeitung Mraček)

Oskar Schlemmer, Signet des Staatlichen Bauhauses, 1922 (logolynx.com, Bearbeitung Mraček)

Bauhausbüro von Walter Gropius in Weimar, 1923 (Sammlung Emil Gruber)

Georg Muche (Idee), Adolf Meyer (Planung und Ausführung), Musterhaus „Am Horn“, Bauhaus-Ausstellung in Weimar 1923 (Sammlung Emil Gruber)

De La Warr Pavilion in Bexhill-on-Sea, GB (Erich Mendelsohn, Serge Chermayeff, 1935); Foto: László Moholy-Nagy (Sammlung Emil Gruber)

Bauhaus Dessau von Walter Gropius, 1925/26. Screenshot Red. GAT > s. Link bauhaus-dessau.de

Meisterhäuser in Dessau von Walter Gropius, 1925/26. Screenshot Red. GAT > s. Link bauhaus-dessau.de

Das Bauhaus bestand nur zwischen 1919 und 1933. Dennoch wurde es zur einflussreichsten Schule für Architektur, Design und Kunst im 20. Jahrhundert.

Schon im Jänner 1916, als Soldat an der Westfront, schickte Walter Gropius seine „Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk“ an das Großherzoglich Sächsische Staatsministerium. Im Jahr zuvor verhandelte Gropius um die Leitung der in Weimar ansässigen Kunstgewerbeschule in Nachfolge von Henry van de Velde, die aber 1915 geschlossen wurde. Einer zweiten Weimarer Kunstschule wollte deren Direktor Fritz Mackensen eine Architekturklasse angliedern und dachte dabei an Gropius. Nach anfänglicher Ablehnung seitens des Hofmarschallamtes setzte sich 1919 das Lehrerkollegium für Gropius ein und jetzt stimmten die damals provisorische Regierung des Freistaates Sachsen-Weimar und das Hofmarschallamt zu. Gropius hatte schon einen Kostenvoranschlag eingereicht und seine Absichten erläutert: „Die Verhältnisse sind augenblicklich dadurch, daß die Kunstgewerbeschule aufgehoben wurde, also von Grund auf neu gestaltet werden kann und dadurch, daß vier Lehrstellen an der Hochschule für bildende Künste freistehen, außerordentlich günstig. Es dürfte im Augenblick in Deutschland wohl kaum eine zweite Gelegenheit sein, ein größeres Kunstschulunternehmen ohne radikale Eingriffe in das Bestehende von modernen Ideen entsprechend umzugestalten.“ (Droste, S. 16 f.)
Ende März wurde Gropius‘ Antrag von der Regierung genehmigt, beide Schulen – im Untertitel der Genehmigung noch genannt: „Vereinigte ehemalige großherzogliche Hochschule für bildende Kunst und ehemalige großherzogliche Kunstgewerbeschule“ – unter dem neuen Namen „Staatliches Bauhaus in Weimar“ zu führen.

Gründung in Weimar
Heute vor hundert Jahren, mit 12. April 1919, erfolgte die Einsetzung zum Leiter der neuen Schule und damit verbunden war das von Walter Gropius in ganz Deutschland veröffentlichte „PROGRAMM DES STAATLICHEN BAUHAUSES IN WEIMAR“, in dem einleitend die Ziele als „Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk – zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile“ angeführt wurden. Entsprechend eines früheren Reformvorschlages des Architekten Otto Bartnik nahm Gropius die hierarchische Ordnung eines „Meisterrats“ sowie die Kategorisierung „Lehrling, Geselle, Meister“ in sein Programm auf.

Als Meister wurden im ersten Jahr der Schweizer Kunstpädagoge und Maler Johannes Itten, der deutsch-amerikanische Maler Lyonel Feininger und der deutsche Bildhauer Gerhard Marcks engagiert. Im Jahr darauf nahmen Paul Klee und Oskar Schlemmer den Unterricht auf, 1922 kam Wassily Kandinsky. Mit der Baukunst jedoch sollte es noch einige Zeit dauern.
Gleich zu Anfang meldeten sich etwa 150 Schüler an, fast die Hälfte davon waren Frauen, wobei eine ursprünglich angestrebte Gleichberechtigung aller Studierenden bald dahin tendieren sollte, dass Frauen zusehends in der Weberei beschäftigt wurden. Mit Itten und dem seit 1920 assistierenden Georg Muche – beide Anhänger der Mazdaznan-Lehre – breitete sich am Bauhaus bald eine auch von den Schülern praktizierte esoterische Haltung mit vegetarischer Ernährung, regelmäßigem Fasten, Atem- und Sexuallehre aus, die erst mit Ittens Abgang 1923 ihr Ende fand. Ein erster Versuch, 1920 eine Abteilung für Architektur unter Leitung von Adolf Meyer einzurichten, wurde auch gleich wieder eingestellt. Gleichzeitig hatte die Regierung aber ein Stück Land zur Verfügung gestellt, auf dem Gropius eine Siedlung mit Holzhäusern geplant hatte. Erst 1923, während der ersten Bauhaus-Ausstellung, zeigte man Modelle für Siedlungs- und Typenhäuser. Ausgeführt wurde nur das Musterhaus Am Horn von Muche und Adolf Meyer.

De Stijl und das Bauhaus
In etlichen Medienartikeln zum Hundertjahr-Jubiläum wird merkwürdigerweise immer wieder Gerrit Rietvelds Rot-Blau-Stuhl als Bauhaus-Entwurf angeführt. Tatsächlich stammt der Sessel aus dem Jahr 1917 und Rietveld war Mitglied der im selben Jahr gegründeten niederländischen Künstlergruppe De Stijl. Offensichtlich jedoch ist die Orientierung am Rietveld-Chair an Marcel Breuers Lattenstuhl, den er in der Möbelwerkstatt 1922 am Bauhaus entwickelte. De Stijls Mitbegründer Theo van Doesburg besuchte 1920 das Bauhaus, zeigte sich allerdings von der expressionistischen Haltung wenig begeistert. Dennoch – und in der Hoffnung auf eine Anstellung – bereitete Doesburg einen Artikel für die von ihm redigierte Zeitschrift De Stijl vor, für den er das Bauhaus um Material bat. 1921 übersiedelte er nach Weimar und hielt im Februar 1922 einen De Stijl-Kurs für junge Künstler. Damit, schrieb er in einem Brief, „habe ich schon sehr fiel [sic.] Erfolg. Schon 25 Teilnehmer, meistens Bauhäusler“ (Droste, S. 56.). 1924 schickte Doesburg dem politisch bedrängten Bauhaus ein Solidaritätsschreiben in dem er abermals seine Kritik formulierte, es habe ein „Generalprinzip“ gefehlt. Aber auch Gropius zeigte sich bereits in der inhaltlichen Ausrichtung gewandelt: Hatte die Devise – in Anlehnung an das britische Arts and Crafts Movement im 19. Jahrhundert – seit 1919 „Kunst und Handwerk – eine neue Einheit“ gelautet, hieß es ab 1922 „Kunst und Technik, eine neue Einheit“. Die Erweiterung der bisherigen Lehr- zu Produktivwerkstätten, so Gropius‘ Ansinnen, sollte die Schule von staatlicher Finanzierung unabhängig machen. Zu diesem Zweck wurden Bauhaus-Grafikmappen herausgegeben und die Gründung einer GmbH zur Produktvermarktung angestrebt. Die Gründung sollte aber erst in Dessau gelingen. Nun ging es um „zeitgemäße, industriegerechte Formgestaltung“ (Droste, S. 60.) anstelle bisheriger kunsthandwerklicher beziehungsweise kunstgewerblicher Arbeit. Mit László Moholy-Nagy, der ab 1923 Ittens Metallwerkstätte und Vorkurse übernahm, kam es zudem zu einer formalen Neuausrichtung etwa der „Drucksachen“ respektive zu einer bewussten „Auseinandersetzung mit der Maschine“ (Droste, S. 60.). In diese Richtung führten auch die Arbeiten an der Bühne. Unter der Leitung Oskar Schlemmers erarbeiteten die Studierenden das Mechanische oder Triadische Ballett um dem „technischen Gepräge unserer Zeit auch […] neue tänzerische Ausdrucksmöglichkeiten zu geben“ (Droste, S. 102).

Inzwischen jedoch hatten rechtskonservative Parteien die Schließung des Bauhauses gefordert, weil sie unter den Studierenden bolschewistische Tendenzen zu erkennen meinten. Politisch war das Schicksal des Bauhauses in Weimar mit den thüringischen Wahlen am 10. Februar 1924 besiegelt. Am 18. September wurde einerseits die Kündigung ausgesprochen, andererseits eine halbjährliche Verlängerung des Bestehensvertrages in Aussicht gestellt. Gleich darauf wurden dem Bauhaus die bis dahin gewährten Haushaltsmittel um die Hälfte, auf 50.000 Mark, gekürzt und damit die weitere Arbeit verunmöglicht.

Dessau
Der thüringischen Regierung griffen die Weimarer Meister vor und kündigten ihre Verträge mit dem Staat. Als Schule neuen Typs hatte das Bauhaus inzwischen einen so guten Ruf, dass Angebote zur Neuetablierung aus Dessau, Frankfurt a. M., München, Darmstadt, Krefeld, Hamburg und weiteren Städten einlangten. Der Meisterrat entschloss sich für eine Übersiedelung in die sozialdemokratisch regierte Stadt Dessau, deren Bürgermeister Fritz Hesse sich zunächst persönlich einsetzte und letztlich auch noch 1932, dann allerdings vergeblich, für das Bauhaus intervenierte. Ein Grund für die rasche Entscheidung Dessaus für eine Übernahme war der hier fehlende Wohnraum. Man setzte Hoffnungen in Gropius‘ Überlegungen einer Technisierung und Rationalisierung des Wohnbaus mittels industriell gefertigter Bauelemente. Tatsächlich sollte Gropius‘ Hauszeichner (1), Carl Fieger – beschäftigt schon in Gropius privatem Büro und ab 1927 Chefzeichner am Bauhaus Dessau –, den ersten Plattenbau der DDR in Berlin-Johannisthal 1953 errichten.

Offizieller Arbeitsbeginn in Dessau war der 1. April 1925. Eine Bauabteilung richtete Gropius – unter Leitung des Schweizer Architekten Hannes Meyer – erst zwei Jahre später, mit 1. April 1927, ein. Bis dahin wurde die gesamte Planung und Ausführung des im Auftrag Dessaus errichteten Zentralgebäudes, der Siedlung Törten (1926-1928), des Atelierhauses für Studierende sowie der Meisterhäuser an der Ebertallee (1925-1926) vom privaten Büro Gropius besorgt.
Das vormals „Staatliche Bauhaus“, hieß seit 1926 offiziell „Bauhaus – Hochschule für Gestaltung“. Statt eines Gesellenbriefes erhielten die Absolventen nun ein Diplom, die Meister wurden zu Professoren ernannt. Die künstlerischen wurden zugunsten von Fächern reduziert, die deutlich auf industrielles Design ausgerichtet waren. Mit der Eröffnung des Bauhausgebäudes erschien auch erstmals die vierteljährliche Zeitschrift bauhaus in der Redaktion von Gropius, gestaltet von László Moholy-Nagy. Damit entwickelte sich auch ein neuer Schwerpunkt der Lehre, Typografie nämlich, Layout und Fotografie.
Aber auch in Dessau wurde das Bauhaus bald von einem Bürgerverein bekämpft und verleumdet. Zusehends – und abermals – verlor man an politischem Rückhalt wie auch an finanzieller Unterstützung durch die Stadt Dessau. Zu Jahresbeginn 1928, trotz inhaltlich konträrer Auffassungen, schlug Gropius Hannes Meyer als seinen Nachfolger vor.(2) Meyer setzte sofort eine Reform der inhaltlichen Struktur an. Unter anderem erfolgte die Ausweitung der Grundausbildung, der Werkstätten-Unterricht wurde nach „Wissenschaft und Kunst“ ausgerichtet, die 1927 etablierte Architekturabteilung unterteilte Meyer in „Baulehre und Bauabteilung“ und legte das Studium auf neun Semester fest. In einer Abteilung für Reklame waren Druck, Ausstellungswesen, Fotografie und plastische Gestaltung zusammengefasst. Bauen begriff Meyer als Mittel der „Volkswohlfahrt“, und er beteiligte Studierende an den vertraglich zugesicherten Bauaufträgen der Stadt wie an privaten Projekten. Die erste Realisierung durch Meyer und Studierende war der Bau der Bundesschule für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund in Bernau.

Im Lauf des Jahres 1927 hatte sich am Bauhaus eine kommunistische Zelle gebildet. Als 1930, während eines Faschingsfestes, kommunistische Lieder gesungen wurden, machte die rechte Presse den Vorfall zum politischen Skandal. Der Aktivist Naftali Rubinstein wurde vom Bauhaus ausgeschlossen, etwa 20 Studierenden wurde erklärt, sie könnten ihr Studium nicht fortsetzen und die Zelle wurde aufgelöst. Nach einer Geldspende Hannes Meyers für einen kommunistisch geführten Bergarbeiterstreik in Mansfeld kündigte Dessaus Oberbürgermeister Hesse zunächst den Direktorenvertag mit Hannes Meyer zum 1. August 1932. Nach Einsetzung eines Schiedsgerichts trat Meyer von seinem Posten zurück.
Gegen den Willen der Studierenden, die sich weiter für den Verbleib Meyers einsetzten, bestellten Meisterrat und Stadtverwaltung Ludwig Mies van der Rohe zum neuen Direktor. Neue Bauhaussatzungen unterzogen die 170 Studierenden einer „Neuaufnahme“, den Inhabern der 26 Studentenateliers wurde die Wohnung entzogen. Fünf ausländische Bauhausstudierende, die zum engeren Mitarbeiterkreis Hannes Meyers gehört hatten, wurden durch die Polizei – „ohne irgendeine Begründung“ (Droste, S. 204.) – des Landes verwiesen. Nach den neuen Satzungen wurde jede politische Betätigung – und sogar das Rauchen – untersagt. Die Studiendauer wurde insgesamt auf sechs Semester gekürzt – deutlicher als unter Meyer stand nun die Architektur im Mittelpunkt des Bauhauses.

Neun Monate in Berlin
Die Wahlerfolge der Nationalsozialisten setzten sich 1931 und 1932 fort. Schon vor dem Gewinn der Kommunalwahlen in Dessau hatten die Nazis die Schließung des Bauhauses gefordert: „Sofortige Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus. Ausländische Lehrkräfte sind fristlos zu kündigen, da es unvereinbar ist mit der Verantwortung, die eine gute Gemeindeführung gegenüber ihren Bürgern zu tragen hat, daß deutsche Volksgenossen hungern, während Ausländer in überreichlichem Maße aus Steuergroschen des darbenden Volkes besoldet werden“, hieß es in einem Wahlprospekt der NSDAP-Ortsgruppe Dessau 1932 (Droste, S. 227 u. 241). Nur Oberbürgermeister Hesse und vier Kommunisten stimmten am 22. August 1932 gegen den Antrag der Nationalsozialisten auf Schließung des Bauhauses, die im September erfolgte.
Magdeburg und Leipzig, die noch sozialdemokratisch regiert waren, machten Angebote für eine Übernahme. Mies van der Rohe aber hatte sich schon entschlossen, das Bauhaus als private Schule nach Berlin zu verlegen. Aus eigenen Mitteln mietete er eine aufgelassene Telefonfabrik in Stieglitz und nannte das Bauhaus nun im Untertitel „Freies Lehr- und Forschungsinstitut“. Kurz nach der Machtergreifung jedoch hatte der Dessauer Staatsanwalt einen Untersuchungsausschuss gegen Fritz Hesse mit dem Ziel eingesetzt, belastendes Material gegen den „Förderer des Bauhauses“ (Droste, S. 233.) zu finden. Im Zuge dessen inszenierte die Gestapo am 11. April 1933 eine Hausdurchsuchung am Berliner Bauhaus, wobei „kommunistische“ Zeitschriften in aus Dessau gelieferten Bibliothekskisten gefunden wurden. Vermutlich waren diese noch in Dessau deponiert worden. Es erfolgte die Versiegelung des Hauses und de facto die Schließung. Nach monatelangen Interventionen von Mies, kam es am 19. Juli 1933 zu einer letzten Sitzung im Atelier von Lily Reich, in der Mies‘ Antrag auf Auflösung des Bauhauses zugestimmt wurde.

Literatur:
Magdalena Droste: bauhaus 1919-1933. Köln 1991

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(1) Walter Gropius hatte sein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Charlottenburg 1906 abgebrochen. Nach eigener Aussage sei er vor allem mit dem Zeichnen überfordert gewesen. Im selben Jahr trat er in das Büro von Peter Behrens ein, wo er 1911 den neu hinzugekommenen Carl Fieger kennen lernte, der sein langjähriger Mitarbeiter wurde. Fieger war als Entwurfszeichner im privaten Büro von Gropius beschäftigt, ab 1927 Architekturzeichner am Bauhaus Dessau und Berlin.

(2) Meyer in einem Brief, 1927: „wir haben jetzt seit ¾ jahren nur theorie getrieben und konnten zugucken, wie das privatbüro gropius stetsfort zu bauen hat.“ (Droste, S. 166f.)

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