Wien

Während Architektur in der landläufigen Wahrnehmung zunehmend auf Ihre marktwirtschaftlichen Komponenten reduziert wird, bietet sich uns die Gelegenheit diese quasi unerkannt als kulturkritisches Werkzeug einzusetzen. Die desolate Reputation der Architektur erzeugt ein terrain vague, welches mannigfaltige Möglichkeiten zur Einflussnahme bietet. Bequem operiert es sich hier aus der harmlosen Marginalität heraus, da wo der Wille gebrochen scheint, wird kein Widerstand vermutet. Wir nutzen diesen toten Winkel der Aufmerksamkeit zur Stellungnahme, versuchen umfassendere Bedeutungsmöglichkeiten der Wirklichkeit wahrnehmbar zu machen und die Welt leise damit zu konfrontieren. In die Realität zu wirken verstehen wir als Praxis, wir wollen wohlerzogene Revolutionäre und stille Übertreibungskünstler sein – diese Entdeckung aus Thomas Bernhards Auslöschung verdanken wir der Berliner Künstlerin Antje Dorn. Dazu haben wir uns im Laufe der Zeit einige Kniffe angeeignet, die grundsätzlich auf mehreren Ebenen wirksam sein wollen. Neben einer willfährigen Pflichterfüllung, genährt von Empathie, soll allen unseren Projekten liebevolles Unbehagen innewohnen. Der normativen Kraft des Faktischen setzen wir Bazon Brocks negative Affirmation entgegen, Xenophobie begegnen wir mit Neophilie. Wir verwenden J.L.M. Lauweriks Entwerfen nach System und Hannes Meyers wissenschaftlichen Funktionalismus auf der Suche nach Grotesken, machen aber keine Witze, sondern versuchen die immanente Komik der Dinge zu entdecken. (Anne-Julchen Bernhardt)

Anne-Julchen Bernhardt
(*1971) hat Architektur an der RWTH Aachen und der Kunstakademie Düsseldorf studiert, als Architektin in Berlin und Köln und als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Aachen und Wuppertal gearbeitet. Seit 2008 ist sie Professorin für Gebäudelehre an der RWTH Aachen. Im Jahr 2000 gründete sie gemeinsam mit Jörg Leeser die BeL Sozietät für Architektur in Köln. BeL hat bisher 140 nationale und internationale Projekte bearbeitet. Ihr Werk wurde international ausgestellt und mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Förderpreis des Landes NRW 2003 und den Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin 2011.

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16. + 17.11.2023
 
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