Graz

Michael Gumhold in der Kunsthalle Graz

©: Kunsthalle Graz

Eine Debatte mit Kurt Flecker, Erika Pluhar, Wolfgang Pollanz und Andrea Schurian

Die Frage Wie viel Wirtschaft braucht die Kunst? wird selten gestellt und ist ambivalent in viele Richtungen. Jedenfalls verbindet sich damit auch der Einfluss von Wirtschaft und ihren Möglichkeiten/ Methoden auf den künstlerischen Schaffensprozess und seine Präsentation. Aber wie schaut es im Gegenzug aus? Am 3. März 2016 geht auf Initiative der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik ein hochrangig besetztes Podium der Frage nach: Brauchen Kunst und Kultur die Methoden der Wirtschaft?
 
Aufgeworfen hat die Fragen der Präsident der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik Dr. Kurt Flecker, 2005 bis 2009 Kulturreferent in der Stmk. Landesregierung. Mit ihm debattieren darüber

  • Kammerschauspielerin Erika Pluhar
  • Kürbis-Aktivator und Autor Wolfgang Pollanz
  • Standard-Kulturchefin Dr. Andrea Schurian
  • Moderation: Frido Hütter, als Chef der Kultur- und Medienredaktion der Kleinen Zeitung in lebhafter Erinnerung.

Der Österreichische Kunstpreis 2015 ging an das Kunstunternehmen Kürbis in Wies „für Nachhaltigkeit in einer Kulturarbeit, die sich stets neu erfindet und am Puls der Zeit bleibt“. Im gleichen Sinn disputierte vor wenigen Jahren eine Promi-Runde unter dem Titel Über die Zerstörung der autonomen Künste und Wissenschaften aus dem Geist des Marktes in Linz. Mit dabei Österreichs Paradewissenschaftler Anton Zeilinger, der auch zur letzten documenta in Kassel eingeladen war. Der Deutsche Kulturrat beschäftigt sich seit Jahren damit und hält, nur so nebenbei, kulturelle Bildung für das Trumpf-As einer kunstfreundlichen Kulturpolitik zur nachhaltigen Versöhnung von KünstlerInnen und Publikum.
Einen ungewohnt bodenständiger Tipp hat der von der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik für diese Veranstaltung auch angesprochene vormalige Kunst-Minister Dr. Scholten parat: „Die Getreidebauern kritisieren nie die Zuwendungen für die Milchbauern. Daher ist mein Motto: Mehr Geld für die Kunst – und nicht weniger Geld für andere Kunst.“ Rudolf Scholten kann leider wegen einer Auslandsreise nicht nach Graz kommen.
 
Gerne wird eindimensional diskutiert: Es werden Gesamtsummen in den Raum gestellt und damit auch Verantwortungen. Und zwar nach Möglichkeit eher die von KünstlerInnen. Von denen ist allerdings kaum bekannt, dass oft nur wenig Geld bei ihnen bleibt. Auch die Verwendungsnachweise von Kunsteinrichtungen an die Förderstellen von Bund, Länder und Städte für erhaltene Subventionen strotzen vor Firmenrechnungen. Die Anteile von Künstlerhonoraren, schon gar von produzierenden, sind nicht vernachlässigbar aber in Summe deutlich kleiner.
Ideal wenn nicht Utopie ist Open Culture – eine offene, frei zugängliche Kultur für jeden. Güter und Informationen gehen wenn schon nicht in Besitz über dann wenigstens in neue Formen der Distribution, z. B. des Sharings. Übrigens ein Bereich, in dem die öffentliche Hand aus dem erhaltenen Fördergut unternehmerisch längst aktiver sein müsste. Wie kann freie Kultur funktionieren, wenn dies doch zugleich bedeutet, die eigene Kulturproduktion freizugeben? Günther Friesinger und KollegInnen haben sich Klarheit darüber verschaffen wollen. Daraus wurde ein 188-seitiges Taschenbuch in der edition mono/monochrom (ISBN-13: 978-3902796-36-3).
 
Die Produktion und Verbreitung von Kunst und Kultur haben sich – auch – durch die digitalen Techniken grundlegend verändert. Und die lange als Monstranz in den Diskussionsraum gestellte digitale Freiheit wurde noch offensiver ökonomisiert als jene der Kunst.
Die künstlerischen Ausdrucksformen haben sich erweitert. Ebenso die Verbreitungsmöglichkeiten. Fast jeder könnte sein eigener Verleger sein. Wer nicht ganz zur Spitze vordringt, ist ohnedies am besten sein eigener Impresario. Welche Auswirkungen hat dies auf die professionelle künstlerische Arbeit und Vermarktung von Kunst?

Vor knapp mehr als zehn Jahren wurde die „UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ von der internationalen Staatengemeinschaft beschlossen. Mit diesem Abkommen wurde erstmals international verbindliches Völkerrecht geschaffen, das zeitgenössische Kunst und Kultur in den Mittelpunkt stellt und förderliche Rahmenbedingungen für das Schaffen, die Verbreitung, den Zugang und die Teilhabe an einer Vielfalt von Kunst und Kultur einfordert. Welche Bemühungen, noch besser wäre: welche Umsetzungen gibt es in Österreich und in der Steiermark, um angesichts fortschreitender Marktliberalisierung, Prekarisierung und demografischem Wandel diese Vielfalt abzusichern. Gerade in der Steiermark wären die formalen Voraussetzungen ideal: in der Landesregierung ist für Kultur und Wirtschaft das gleiche Mitglied zuständig.
 
Wer eine Laufbahn im Arbeitsmarkt Kultur anstrebt, hat oft mehr die Kunst als die Wirtschaft vor Augen. Wie kann es gelingen, herausragende KünstlerInnen auszubilden und sie zugleich auf den Markt vorzubereiten? Was brauchen kulturwirtschaftliche Akteure? Wie macht man sich nicht nur selbständig, sondern bleibt es auch? Welche wirtschaftlichen Potenziale haben Kultur und Kunst, welche schleichen sich – werkbremsend, sinnmindernd – in sie ein? Wer in KünstlerInnen investiert (durchaus mit Fragezeichen zu versehen), sei es als Verleger oder TheaterleiterIn, als Galerist oder Spieleproduzent oder eben als Veranstalter jongliert mit einer Gleichung mit vielen Unbekannten. So sollte er aber auch das Empfinden des von ihm in Arbeit genommenen Künstlers betrachten. (Text: Herbert Nichols-Schweiger)

Veranstaltungsort
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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